Heutzutage spielen die grenzüberschreitenden Sachverhalte eine große Rolle im Rechtsverkehr. Das europäische Recht gibt viele Möglichkeiten, in einem Mitgliedstaat gegen Staatsangehörige oder Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat gerichtlich vorzugehen. Nun entsteht das Problem der Vollstreckung einer auf diese Weise erlangten gerichtlichen Entscheidung.
Das Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (sog. Brüssel Ia Verordnung, im Folgenden kurz EuGVVO neu genannt) am 10.01.2015 brachte einige Änderungen mit sich, was die Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte betrifft. Die EuGVVO neu wird auf Verfahren angewendet, die an diesem Datum oder nach diesem Datum eingeleitet wurden. Durch diese Neuerung trat die EuGVVO alt außer Kraft. Handelt es sich jedoch um eine Entscheidung in dem Verfahren, das vor dem 10.01.2015 eingeleitet wurde, wird die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden kurz EuGVVO alt genannt) weiterhin angewendet. Es ist nicht möglich eine der beiden Verordnungen zu wählen.
Man stelle sich folgendes Beispiel vor: ein österreichischer Unternehmen hat als klagende Partei ein Urteil gegen ein polnisches Unternehmen erwirkt. Nun möchte das klagende Unternehmen das Urteil vollstrecken, allerdings besitzt das polnische Unternehmen nur Vermögensgegenstände im Land seines Sitzes, d.h. in Polen. Wie kann das österreichische Unternehmen das erreichen?
Wenn man die Vollstreckung eines ausländischen Urteils bezweckt, ist bei den beiden schon genannten Rechtsvorschriften so einiges zu beachten. Es gibt Unterschiede im Verfahren nach der Brüssel I Verordnung (im Folgenden kurz EuGVVO alt genannt) und der Brüssel I a Verordnung (im Folgenden kurz EuGVVO neu genannt). Im nachfolgenden Artikel werden diese Unterschiede näher erläutert.
Die Vollstreckung nach EuGVVO alt
Die EuGVVO alt kommt zur Anwendung, wenn es sich bei dem Urteil um eine Entscheidung über ein Verfahren handelt, welches vor dem 10.01.2015 eingeleitet wurde. Diese Vorgabe ergibt sich aus den Übergangsbestimmungen der Brüssel Ia Verordnung, genauer gesagt gem. Art 66 (1) und (2) EuGVVO neu. Die Übergangsbestimmung dient der Wahrung der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit Verfahren, die während der Geltungsdauer der EuGVVO alt eingeleitet wurden. Die EuGVVO neu ist somit nicht rückwirkend.
Das Unternehmen muss zuerst bei jenem Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, die Ausstellung einer Bescheinigung beantragen. Dazu muss man das Formblatt im Anhang V der EuGVVO alt verwenden (Art 53 EuGVVO alt). Diese Bescheinigung zusammen mit einer Ausfertigung der Entscheidung sind ins Polnische zu übersetzen und beim zuständigen Gericht in Polen vorzulegen (Art 53 und 54 EuGVVO alt). Es ist außerdem ein Zustellungsbevollmächtigter in Polen zu benennen, hierfür empfiehlt es sich auf eine kompetente Rechtsberatung zurückzugreifen.
Sollte die Entscheidung in dem Mitgliedstaat der Brüssel I Verordnung, in dem sie ergangen ist, vollstreckbar sein, kann sie auch in Polen vollstreckt werden, nachdem sie vollstreckbar erklärt wurde (39 EuGVVO alt).
Im Lichte der polnischen Zivilprozessordnung sind für die Vollstreckbarkeitserklärung die Landgerichte zuständig. Nach dem Erhalt der Vollstreckungsklausel in Polen kann beim Gerichtsvollzieher der Antrag auf Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahren gestellt werden.
Die Vollstreckung nach EuGVVO neu
Wenn es sich um eine Entscheidung handelt, die in einem nach dem 10.01.2015 eingeleiteten Verfahren erlassen wurde, kommt die EuGVVO neu zur Anwendung. Das Unternehmen muss ebenfalls beim Gericht, welches das Urteil gefällt hat, eine Bescheinigung beantragen. In diesem Fall muss man das Formblatt I der EuGVVO neu verwenden (Art 53 EuGVVO neu). Der Bescheinigung sind wichtige Informationen zu entnehmen zum Beispiel: das Ursprungsland, das ausstellende Gericht, nähere Angaben sowie die Bestätigung der inländischen Vollstreckbarkeit. Noch dazu wird das beklagte Unternehmen angeführt.
In der Folge sind wie beim obigen Fall diese Bescheinigung und eine Ausfertigung der ausländischen Entscheidung ins Polnische zu übersetzen, ansonsten kann es passieren, dass das Verfahren nicht fortgesetzt werden kann. Sofern die soeben genannten Formvoraussetzungen erfüllt werden, wird eine Entscheidung eines Gerichts eines Mitgliedstaates der EuGVVO neu in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar, sofern sie auch im Ursprungsland vollstreckbar ist (Art 36 und 39 EuGVVO). Der Vorteil an einer Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile nach der EuGVVO neu ist, dass eine Vollstreckbarkeitserklärung nicht notwendig ist. Diese Neuerung im Vergleich zur Vorgängerbestimmung spart dem Unternehmen die Zeit und die Kosten eines zusätzlichen Verfahrens in Polen. Darin liegt ein klarer Unterschied zum Verfahren nach der EuGVVO alt. Der hier angesprochene Vorteil beschleunigt Vollstreckungsverfahren im Zusammenhang mit ausländischen Gerichtsurteilen. Das Urteil wird wie ein polnisches Urteil vollstreckt.
Das Unternehmen muss beim zuständigen Gerichtsvollzieher in Polen, zur besseren Beweisbarkeit, die oben genannten Urkunden (Bescheinigung und Ausfertigung der Entscheidung) vorlegen (Art 42 EuGVVO neu)
Zusammenfassung
Für die Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile ist für Unternehmen vor allem zu beachten, dass auf das Datum zu dem das Verfahren eingeleitet wurde abgestellt wird. Es ist für die Vollstreckung nach EuGVVO alt oder EuGVVO neu nicht entscheidend, zu welchem Datum die Entscheidung gefällt wurde. Das kann bei Verfahren, die sich über eine längere Zeitspanne oder über mehrere Instanzen erstrecken von höchster Wichtigkeit sein. Ob die EuGVVO alt oder die EuGVVO neu zur Anwendung kommt ist für das Unternehmen von enormer Relevanz, da entweder ein zusätzlicher Zeit- und Kostenaufwand entsteht, oder dieser vermieden werden kann.
Zu guter Letzt ist darauf hinzuweisen, dass das Unternehmen aus unserem Beispiel auf eine funktionierende Kooperation zwischen österreichischen und polnischen Rechtsanwälten zurückgreifen sollte, damit man bei den verschiedenen Anträgen und Gerichtsgängen, aber auch im Bezug auf die sprachlichen Barrieren optimal beraten wird.
Sollten Sie Fragen zur Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen in Polen haben, stehen wir zur Verfügung: biuro@rgw.com.pl